Entscheidung des BFH
Lange war strittig, ob der Vorsteuerabzug aus einer berichtigten Rechnung rückwirkend gewährt werden muss oder erst ab dem Zeitpunkt, in dem die berichtigte Rechnung vorliegt. Mit Urteil vom 20.10.2016 hat der BFH nun (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung und der bisherigen Rechtsprechung) entschieden, dass die berichtigte Rechnung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurückwirkt.
Bedeutung der Entscheidung
Der Vorsteuerabzug ist (neben den übrigen Voraussetzungen) nur möglich, wenn eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Wird der Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen vorgenommen und stellt die Finanzverwaltung später fest, dass die Rechnungen den formalen Anforderungen nicht genügen, so versagt sie den Vorsteuerabzug rückwirkend.
Wurden anschließend berichtigte – nun ordnungsgemäße – Rechnungen vorgelegt, so gewährte die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug jedoch nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt, in dem die berichtigten Rechnungen vorlagen.
Somit kam es für das Jahr des ursprünglichen Vorsteuerabzugs zu einer Steuernachzahlung und für das Jahr der Vorlage der berichtigten Rechnung zu einer Steuererstattung. Da beide Beträge der Verzinsung mit 6% jährlich unterliegen, die Steuernachzahlung aber zeitlich weiter zurücklag, ergab sich für die Finanzverwaltung ein Zinsüberschuss.
Aufgrund des o.g. BFH-Urteils entfällt dieser für die Finanzverwaltung positive Effekt nunmehr. Die Entscheidung ist daher von erheblicher praktischer Bedeutung.
Beispiel:
A ist vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer. Er lässt im Jahr 2013 seine betrieblichen Räume vom Malermeister B streichen. B stellt dem A daher eine Rechnung über 2.000 € zzgl. 380 € Umsatzsteuer. Als Leistungsbeschreibung gibt B auf der Rechnung jedoch nur „Malerarbeiten“ an. Da die fehlerhafte Leistungsbeschreibung nicht auffällt, macht A die Vorsteuern i.H.v. 380 € im Jahr 2013 geltend.
Im Rahmen einer Außenprüfung durch die Finanzverwaltung im Jahr 2016 wird auch die Umsatzsteuer 2013 überprüft. Dabei fällt die fehlerhafte Leistungsbeschreibung auf der Rechnung des B auf. Der Betriebsprüfer versagt daraufhin den Vorsteuerabzug und erhöht die Umsatzsteuer 2013 um 380 €. Außerdem muss A auf die Steuernachforderung 6% p.a. Zinsen zahlen.
A legt Einspruch gegen den aufgrund der Außenprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheid 2013 ein und legt im Jahr 2017 eine berichtigte Rechnung des B mit ausreichend konkreter Leistungsbeschreibung vor („Decken und Wände im Erdgeschoss des Objekts XY gestrichen“, Arbeitsstunden, Material, usw.).
Das Finanzamt möchte daraufhin die Umsatzsteuer 2017 mindern. Zu einer Verzinsung zugunsten des A kommt es daher nicht.
Nach der neuen Rechtsprechung des BFH entfaltet die berichtigte Rechnung des B jedoch Rückwirkung. Es ist daher nicht die Umsatzsteuer 2017 sondern die Umsatzsteuer 2013 zu mindern. Somit kommt es i.H.v. 6% p.a. zu einer Verzinsung zugunsten des A.
Stellungnahme der Finanzverwaltung steht aber noch aus!
Das Urteil des BFH wurde noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Es wird daher von der Finanzverwaltung bislang nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus angewendet.
Eine Stellungnahme der Finanzverwaltung steht noch aus. Betroffene Bescheide sind daher b.a.W. verfahrensrechtlich offen zu halten.
Nicht jede Rechnung ist berichtigungsfähig
Nach Auffassung des BFH ist jedoch nicht jede Rechnung berichtigungsfähig. Eine Berichtigung kommt nur in Betracht, wenn die ursprüngliche Rechnung folgende Mindestangaben enthalten hat:
- Bezeichnung des Leistungserbringers
- Bezeichnung des Leistungsempfängers
- (irgendeine) Leistungsbeschreibung
- Entgelt
- Gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer